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Lösungen für das globale Elektroschrottproblem die funktionieren: Ein Interview mit Minimise

Veröffentlicht am 4. Juli 20235 min Lesezeit
Kaputter Computer mit Pflanzen
Elektroschrott ist ein globales Problem, das sich rasant ausbreitet und zunehmende ökologische Herausforderungen mit sich bringt. Mit einer Prognose von 74 Millionen Tonnen Elektroschrott pro Jahr bis 2030 wird deutlich, dass dringend Lösungen gefunden werden müssen. Thomas Gros (CEO, Founder von circulee) spricht mit Stefan de Linde (Founder Minimise) über die Hintergründe und Auswirkungen des Elektroschrotts und welche innovativen Lösungen es hier gibt. Denn eins ist klar es geht darum die Lücke zwischen dem Recyclingvolumen und dem Volumen der in Verkehr gebrachten Geräte zu schließen, und die 2 Unternehmen sind hier tatsächlich 100% komplementär: 1) Wiederverwendbare Devices werden von circulee professionell generalüberholt und im Sinne der zirkulären Wirtschaft wieder auf den Markt gebracht 2) Nicht wiederverwendbare Geräte werden von circulee einer zertifizierten Datenlöschung unterzogen und von vertrauenswürdigen Partnern fachgerecht entsorgt. 3) Minimise bietet eine Lösung an, die die Anzahl der Geräte, die nicht ordentlich entsorgt werden, drastisch reduziert.
Zirkuläre Wertschöpfung
Thomas Gros: Wie ist deine Sicht auf das globale Problem des Elektroschrottes und wie kann es gelöst werden?
Stefan de Linde: Elektroschrott ist der am schnellsten wachsende Abfallstrom der Welt. Bis 2030 werden wir 74 Millionen Tonnen Elektroschrott produzieren – jedes Jahr. Das entspricht der Menge, die entsteht, wenn jeder der knapp 8 Milliarden Menschen auf der Erde jeden Monat 5 Handy wegwirft. Eine unfassbar große Menge.
Wir glauben, dass dieses Problem aus zwei globalen Trends resultiert:
  1. Die Nachfrage nach Elektrogeräten weltweit wächst stetig, da sich die Welt im Rahmen der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung schnell weiterentwickelt.
  2. Das dokumentierte Volumen der gesammelten und recycelten Geräte beträgt nur 20% des Volumens der verkauften Geräte. Dieser Prozentsatz stagniert.
Die verbleibenden 80% verschwinden dort, wo keine Dokumentation mehr stattfindet. Das bedeutet in der Regel, dass der Elektroschrott zwischen diversen Parteien gehandelt wird, bis er auf Mülldeponien in Entwicklungsländern landet. Meist in Afrika. Einmal auf der Deponie wird Elektroschrott verbrannt, um auf einfachstem Weg Metalle wie Kupfer oder Eisen zu extrahieren.
Dieser Prozess bringt enorme CO2 Emissionen mit sich und es entstehen giftige Dämpfe, welche für die Bevölkerung in der Nähe der Deponie sowie die Flora und Fauna sehr gefährlich sind. Wertvolle Metalle, die durch einfache Verbrennung nicht zurückgewonnen werden können, verbleiben in Form von Schlacke auf der Deponie und gehen für immer verloren.
Die Lösung ist einfach: Lasst uns die Deponierung von Elektroschrott in Entwicklungsländern stoppen, die existierenden Deponien aufräumen und die lokale Bevölkerung zum umwelt- und gesundheitsgerechten Recycling befähigen.
Thomas Gros: Welches Ziel verfolgt Minimise und wie genau wird dieses verfolgt?
Stefan de Linde: Bei Minimise haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die Praxis der undokumentierten Behandlung von Elektroschrott abzuschaffen und die Lücke zwischen Recyclingvolumen und Volumen der in Verkehr gebrachten Geräte zu schließen. Wir tun dies in vier Schritten:
  1. Wir arbeiten mit einem Netzwerk lokaler Initiativen zur Elektroschrottentsorgung in Entwicklungsländern auf der ganzen Welt zusammen. Unser Finance-for-Impact-Ansatz macht das Verbrennen von Elektroschrott weniger attraktiv, indem wir Anreize für die Sammlung schaffen und das Verbrennen somit unrentabel wird.
  2. Die Initiativen melden uns den von ihnen gesammelten Elektroschrott. Da E-Schrott ein physisches Objekt ist, lässt er sich leicht nachverfolgen. Wir verfügen also stets über Informationen zu Standort, Gewicht und Kategorie – alles in Verbindung mit einem Zeitstempel. Wenn der E-Schrott recycelt wird, dokumentieren wir, welche Rohstoffe in die Kreislaufwirtschaft zurückgeführt werden, sowie die Giftstoffe, die auf sichere Art und Weise entsorgt werden.
  3. Aus diesen Trackingdaten erstellen wir "Impact-Journeys". Das kann man sich vorstellen wie eine Track & Trace Übersicht, die man vom Paketversand kennt. Nur, dass in diesem Fall ein Gerät von der Mülldeponie zur Recyclinganlage verfolgt werden kann.
  4. Schließlich stellen wir diese Journeys den Onlinehändlern zur Verfügung. Auf diese Weise können sie, wenn einer ihrer Kunden ein Telefon kauft, genau zeigen, wie dafür ein Telefon recycelt wird. Somit wird jeder Kauf abfallneutral. Für jedes verkaufte Gerät wird ein Gerät recycelt, wobei die für die Produktion von neuen Geräten benötigten Ressourcen in das System zurückgeführt werden.
Minimise - From Landfill to Recyling
Wir wollen damit erreichen, dass Käufer von Elektrogeräten dazu angeregt werden, ihren individuellen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft zu verfolgen.
Gleichzeitig kann der Einzelhändler verschiedene Produkte und Dienstleistungen auf der Track & Trace-Seite anbieten. Dabei können die Händler frei entscheiden: Es können Reparaturdienstleistungen, erweiterte Garantien oder Versicherungen angeboten, oder sogar Handyhüllen oder Schutzfolien verkauft werden. Alles, was die Lebensdauer des gekauften Geräts verlängert.
Das frühe und häufige Einbeziehen der Kunden hilft dabei, eine Community aufzubauen, die sich des Problems Elektroschrott bewusst ist und Stellung beziehen möchte. Konsumenten werden zu Botschaftern derer Marken, die zur Lösung der Problematik aktiv werden. Händler können den Einfluss davon in Kenngrößen wie Loyalität, Engagement und Kundenbindung nachvollziehen. Das Resultat: eine gestärkte Beziehung zu ihren Kunden, welche sich positiv auf das Geschäft auswirkt.
Thomas Gros: Welche Verantwortung haben Unternehmen beim Thema Elektroschrott?
Stefan de Linde: Es ist gut, wenn mehr Unternehmen Verantwortung für ihren ökologischen Fußabdruck übernehmen. Elektrogeräte bestehen allerdings nicht aus Treibhausgasen. Sie bestehen aus Rohstoffen, die auf unserer Erde abgebaut, transportiert und verarbeitet werden. CO2-Kompensation kann diese wertvollen und teils kritischen Rohstoffe nicht von der Deponie zurück in den Kreislauf bringen.
Viele Regierungen haben deshalb bereits "Extended Producer Responsibility" Richtlinien eingeführt oder planen dies zu tun. Im Rahmen dieser Richtlinien tragen die Hersteller von Elektrogeräten die Kosten für das Recycling von Elektroschrott, der in jenen Regionen anfällt, auf denen die Hersteller aktiv sind. Während dies zwar Gelder zur Lösung des Problems generiert, wird nicht automatisch eine Infrastruktur geschaffen, durch die undokumentierter Elektroschrott wieder in die Kreislaufwirtschaft zurückgeführt werden kann.
Indem wir nachverfolgen, was am Ende des Lebenszyklus dieser undokumentierten Elektrogeräte passiert, zeigen wir den Verbrauchern und Einzelhändlern die Realität auf und erklären, welchen Einfluss dies auf unsere Umwelt hat. Sie können dann die bewusste Entscheidung treffen, zum Aufbau der Infrastruktur beizutragen und damit die Lösung dieses Problems anzugehen.
Thomas Gros: Wenn ein Gerät „auf dem Schrott landet", welcher Anteil an Materialien kann dann zurückgewonnen werden?
Stefan de Linde: Nach Gewicht besteht Elektroschrott auf der Mülldeponie immer noch aus ±10% kritischen Rohstoffen, die in die Kreislaufwirtschaft zurückgeführt werden können. Am wichtigsten ist dabei die Rückgewinnung von jenen Metallen, die bei bloßer Verbrennung verloren gehen würden. Dazu gehören zum Beispiel Lithium, Kobalt und Gold.
Darüber hinaus muss jedes Kilogramm recyceltes Metall nicht erneut abgebaut werden. Die Ökobilanz unserer Partner zeigt, dass Sammlung, Verarbeitung und Recycling von Elektroschrott einen 8-mal geringeren CO2- Fußabdruck hat als der erneute Abbau und die Verarbeitung von Rohstoffen. Mit Blick auf die Umweltverträglichkeit liegt das Recycling also klar vorne.
Thomas Gros: Welche Rolle können "zirkuläre Modelle" dabei spielen?
Stefan de Linde: 80% der Verbraucher sagen, dass sie sich verantwortlich fühlen, zu mehr Umweltschutz beizutragen. Dabei sind diejenigen Lösungen am attraktivsten, die "genauso einfach, zuverlässig und kostengünstig" sind, wie die aktuellen, nicht zirkulären Alternativen (Link).
Dies schafft für Unternehmen, die zirkuläre Modelle nutzen, einen zusätzlichen und einzigartigen Wettbewerbsvorteil. Neben „einfach, zuverlässig und kostengünstig“ sind sie auch nachhaltig. Wenn alle anderen Rahmenbedingungen gleich sind, werden sich Kunden für die nachhaltige Option entscheiden.
Zirkuläre Modelle ersetzen zunehmend konventionelle, sogenannte „lineare“ Modelle. Käufer von Elektrogeräten können aus Hunderten von einfachen, zuverlässigen, kostengünstigen Lieferanten wählen. Mit Circulee ist es genauso einfach, zuverlässig und sogar günstiger. Mit dem zusätzlichen Nachhaltigkeits-Benefit wiederverwendeter Elektrogeräte haben sie in Summe das überzeugendste Angebot!
Minimise zielt darauf ab, denselben Effekt für Marken und Elektronikhändler zu erreichen. Wir ermöglichen es unseren Kunden auf eine innovative Art und Weise, sich von der Konkurrenz abzuheben und gleichzeitig zur Kreislaufwirtschaft beizutragen.
Es ist eine Win-Win-Win-Situation (für die Marke, den Verbraucher und die Umwelt).
Der wachsende Elektroschrott stellt eine enorme Herausforderung dar, die sowohl ökologische als auch gesundheitliche Auswirkungen hat. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen, Verbraucher und Regierungen Verantwortung übernehmen und nachhaltige Lösungen vorantreiben. Minimise hat mit seinem innovativen Ansatz zur Schließung der Lücke zwischen Recyclingvolumen und Volumen der in Verkehr gebrachten Geräte eine vielversprechende Lösung entwickelt. Durch die Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen zur Elektroschrottentsorgung, das Tracking der Geräte bis zum Recycling und die Bereitstellung von Impact-Journeys für Onlinehändler wird ein geschlossener Kreislauf geschaffen, der die Umweltbelastung reduziert und die Wiederverwertung wertvoller Rohstoffe ermöglicht. Zirkuläre Modelle wie sie mit der neuartigen Full-Circle-Lösung von circulee bereitgestellt werden, bringen Unternehmen, die sich für Nachhaltigkeit einsetzen, einen einzigartigen Wettbewerbsvorteil. Denn es ist unserer Verantwortung, gemeinsam das Problem des Elektroschrotts anzugehen und eine nachhaltigere Zukunft zu schaffen.